Über digitale öffentliche Services

„Warum der Kitafinder eher frustriert als hilft“1 – ein unscheinbares Thema in der Süddeutschen Zeitung. Aber ein wunderbares Beispiel für die Auswirkungen eines schlecht funktionierenden Tools auf den Lebensalltag aller Menschen, die auf Betreuungsplätze angewiesen sind. Im Artikel werden als Problempunkte unzuverlässige Informationen genannt; ein Ampelsystem, das teilweise die falsche Platzbelegung anzeigt; fehlende Aktualisierung und Änderungen, die im Tool nicht angezeigt werden, und im schlimmsten Fall keine aktuelle Einsicht in die Platzverfügbarkeit gibt.

Die Angaben von mehr als 1.600 Kitas konnte ich damals leider nicht auswerten, aber der kita finder+ war auch bei mir ein Forschungsprojekt bei der Suche nach der Funktionsweise digitaler Services in der öffentlichen Verwaltung. Ich fand diesen Prozess so interessant, weil er genau die negativen Auswirkungen nach sich zieht, die im Artikel beschrieben sind: Es würde vieles vom Kita-Platz abhängen: Die Arbeit der Eltern, die Frühförderung, die Elternzeit, letztendlich auch die Gleichberechtigung.2 Funktioniert ein Ablauf nicht, ist das alles in Gefahr. Noch schlimmer ist es, wenn die Tools, die Arbeit erleichtern soll, zusätzliche Probleme und Mehraufwand mit sich bringen.

Und selbst wenn das Tool funktionieren würde: Einfach mal eben noch schnell die Kinder im Café oder von der Couch bei der Kita anmelden? Eher nicht. Allein die Funktionsweise des Tools ist komplex, langwierig, anspruchsvoll, voller Fachsprache. Viele persönliche Daten sind erforderlich teilweise die genauen Bezeichnungen aus Unterlagen. Es gibt viele Wahlmöglichkeiten, die Auswirkungen einer Handlung sind unklar. Wegen des schwierigen Vorgangs sind Pausen nötig – und das ohne ungeplante Unterbrechungen, die bei Eltern hin und wieder vorkommen sollen. Und das schönste ist der Moment, in dem man zu lange für das Eintragen von Daten gebraucht hat, und der gesamte Vorgang ohne zu Speichern auf den Anfang zurückgesetzt wird. Da greift man dann doch lieber zum Telefon und telefoniert die Kitas durch. Gut, dass es diese Option noch gibt, denn der telefonische Support des Kitafinders ist ohnehin nicht täglich besetzt.

Besonders interessant waren aber auch die Auskünfte, die ich von einem Verantwortlichen in der Stadtverwaltung erhielt. Die Einführung eines Gale-Shapely-Algorithmus würde die Chancen für die Verteilung verbessern, allerdings scheue man sich davor, diese einzusetzen, weil es um ein sensibles Thema ging. Die Eltern würden das ja nicht wollen. Ein Problem sei auch, dass die Tools die Illusion erzeugen würden, dass eine Dienstleistung sicher verfügbar wäre. So einfach, wie wir das vom Online-Einkaufen kennen, wäre es aber nicht. Und wäre es nicht super, wenn es ein Kinder-Portal geben würde, das das Kind gleich in die Schule überführen könnte und dort weiter verwalten? Wie wäre es dann mit dem Datenschutz? Aber durch eine rechtliche Änderung wäre das ganze System ohnehin obsolet, wenn es nämlich feste Zuständigkeiten ohne Auswahl gebe, wie im Schulsystem. Dann wäre auch das Tool obsolet.

Öffentliche Services sind also kompliziert, und das eben deshalb, weil es um wesentliche komplexere und tiefgreifender Prozesse geht als um einen Online-Einkauf. Aber dieses Zusammenspiel aus organisatorischen, rechtlichen, technischen und zuletzt schlicht finanziellen Herausforderungen machen sie so spannend.

Hier habe ich das Tool einmal „durchgespielt“, um Problempunkte zu erkennen. Die Grafik war so kleinteilig, ich sie am Ende auf 1,50 x 2 Meter ausgedruckt habe.

  1. Aldenhoff, Kathrin ; Gundlach, Marie ; Ketterer, Alexandra ; Kraus, Julia ; Germany, Süddeutsche de GmbH, Munich: Warum der Kitafinder eher frustriert als hilft. URL: https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/muenchen/muenchen-kitafinder-kitaplatz-anmeldung-krippe-kindergarten-e176241/ (Stand: 9.3.2024). ↩︎
  2. Vgl. ebd. ↩︎

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